Verkauf durch Sack Fachmedien

Baerlocher

Natur und soziales Handeln

Ein sozialtheoretischer Beitrag für die Nachhaltigkeitsforschung

Medium: Buch
ISBN: 978-3-593-39854-9
Verlag: Campus Verlag GmbH
Erscheinungstermin: 16.05.2013
Lieferfrist: bis zu 10 Tage
Nachhaltigkeit ist als gesellschaftliches Leitbild ein Thema auch für die Sozialwissenschaften. Bianca Baerlocher erklärt auf handlungstheoretischer Basis das Zusammenwirken von sozialen und biophysischen Phänomenen. Damit holt sie die Natur als Gegenstand in die Soziologie und stellt zugleich ein sozialtheoretisches Konzept für die Nachhaltigkeitsforschung zur Verfügung.

Produkteigenschaften


  • Artikelnummer: 9783593398549
  • Medium: Buch
  • ISBN: 978-3-593-39854-9
  • Verlag: Campus Verlag GmbH
  • Erscheinungstermin: 16.05.2013
  • Sprache(n): Deutsch
  • Auflage: 1. Auflage 2013
  • Serie: Campus Forschung
  • Produktform: Kartoniert
  • Gewicht: 272 g
  • Seiten: 207
  • Format (B x H x T): 144 x 212 x 20 mm
  • Ausgabetyp: Kein, Unbekannt

Autoren/Hrsg.

Autoren

Baerlocher, Bianca

Bianca Baerlocher, Dr. phil., promovierte an der Universität Basel.

Inhalt
Vorwort 8
Einleitung: Das Problem der Nachhaltigkeitsforschung 11
1 Die Sozialwissenschaften und das integrative Prinzip der Nachhaltigkeit 15
1.1 Sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung 15
1.2 Die Entkopplung von natürlichen und sozialen Phänomenen 21
1.3 Die Konstitution des Sozialen 27
1.3.1 Soziales aus Sozialem 30
1.3.2 Soziales Handeln 37
1.3.3 System und Umwelt und nichts als Kommunikation 47
1.4 Blinde Flecken und versteckte Kopplungen 51
1.5 Ein Paradigmenwechsel für die Nachhaltigkeitswissenschaft? 57
2 Natur-Gesellschafts-Konzepte 63
2.1 Seit Catton und Dunlap 63
2.2 Jenseits von "Natur" und "Gesellschaft"? 65
2.2.1 Latours neue Soziologie 66
2.2.2 Grenzziehungsregime zwischen Natur und Gesellschaft 69
2.3 Soziale Ökologie 74
2.3.1 Gesellschaftliche Naturverhältnisse 75
2.3.2 Gesellschaftlicher Metabolismus 80
2.3.3 Action Settings als handlungstheoretische Erweiterung des sozialen Metabolismus 85
2.4 Forschungsdesiderat 90
3 Was sind sozial-ökologische Regime? 94
3.1 "Frameworks" für die Nachhaltigkeitsforschung 95
3.1.1 Coupled Human and Natural Systems (CHANS) 96
3.1.2 Sustainability Frameworks 99
3.2 Das Konzept sozial-ökologischer Regime 103
3.2.1 Sozial-ökologische Strukturations- und Handlungstheorie 104
3.2.2 Die regulative Leitidee in sozial-ökologischen Regimen 114
3.2.3 Sozial-ökologische Regime als theoretisch-konzeptueller Rahmen für die interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung 120
4 Sozial-ökologische Waldregime 123
4.1 Empirische Untersuchung sozial-ökologischer Regime 123
4.2 Festlegung des Untersuchungsmaterials 125
4.2.1 Analyse der Entstehungssituation 126
4.2.2 Formale Charakteristika des Materials 128
4.3 Richtung der Analyse 128
4.4 Theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung 129
4.5 Bestimmung der Analysetechnik und Festlegung des Ablaufmodells 129
4.5.1 Definition der Analyseeinheiten 132
4.5.2 Theoriegeleitete Festlegung der inhaltlichen Hauptkategorie 132
4.5.3 Theoriegeleitete Bestimmung der Ausprägung und Zusammenstellung des Kategoriensystems 134
4.5.4 Formulierung von Definitionen, Kodierregeln und Ankerbeispielen 134
4.5.5 Materialdurchlauf: Fundstellenbezeichnung 138
4.5.6 Materialdurchlauf: Bearbeitung und Extraktion der Fundstellen 138
4.5.7 Überarbeitung und Revision von Kategorien 139
4.5.8 Ergebnisaufbereitung: Paraphrasierung des extrahierten Materials 140
4.5.9 Zusammenfassung pro Unterkategorie 141
4.5.10 Zusammenfassung pro Hauptkategorie 170
4.6 Rücküberprüfung des Kategoriensystems an Theorie und Material 173
4.7 Interpretation: Waldregime 179
4.7.1 Die Revision des Forstpolizeigesetzes 180
4.7.2 "Rodungen dem Ackerbau!" 182
4.7.3 Der Schutz des Klimas 184
4.7.4 Vergleich dreier Waldregime 185
4.8 Anwendung der inhaltsanalytischen Gütekriterien 188
5 Fazit: Ein sozialtheoretisches Rahmenkonzept als Beitrag für die Nachhaltigkeitsforschung 190
5.1 Ein Beitrag auch für die Sozialtheorie 196
5.2 Ausblick 197
Literatur 200
Quellen 205
Abbildungen 206
Tabellen 207

Reaktorkatastrophen, Industrieunfälle, saurer Regen oder der globale Kli-mawandel gehören zu den besorgniserregenden Ereignissen unserer Zeit. Und seit den 1970er Jahren ist zunehmend eine Sensibilisierung der Wahrnehmung von globalen Umweltproblemen zu beobachten, im Zuge welcher die Einsicht wächst, dass menschliche Eingriffe in die Natur auf das gesellschaftliche Zusammenleben zurückwirken. Dies veranschaulichte insbesondere die jüngste Reaktorkatastrophe in Fukushima im März 2011. Bis jetzt kann nur erahnt werden, wie weitgreifend die Auswirkungen langfristig sind. Grundsätzlich wird aber die "modern-industrialisierte" Lebensweise durch solche Schlüsselereignisse einmal mehr infrage gestellt. Schon Ende der 1980er Jahre haben Soziologen wie Ulrich Beck oder Niklas Luhmann nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl die Eingriffe menschlichen Handels in die Natur soziologisch reflektiert. Die jüngste Reaktorkatastrophe von Fukushima zeigt, wie aktuell diese Beiträge immer noch sind. Es gibt allerdings einen Unterschied, der sich im Vergleich zu den Beobachtungen von vor 25 Jahren ausmachen lässt. Das in den letzten Jahrzehnten entstehende Leitbild "nachhaltiger Entwicklung" lässt hoffen, dass die Reflexionen über das Verhältnis von Gesellschaft und Natur heutzutage auf fruchtbareren Boden fallen als damals. Der Klimawandel, Bodenversiegelung, steigende Armut oder der Verlust von Biodiversität sind zu den zentralen Themen weltweiter Verhandlungen im Kontext der Nachhaltigkeit im Verlauf des letzten Jahrzehnts geworden. Die zunehmende Wahrnehmung dieser Problemlagen hat dazu geführt, dass die Idee der Nachhaltigkeit in zahlreiche politische und wirtschaftliche Agenden aufgenommen worden ist und sich in der Wissenschaft ein brei-tes Feld etabliert hat, das sich als Sustainability Science versteht. Diese Nachhaltigkeitswissenschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie mit "in-tegrativen" Analysen in Form von interdisziplinärer Forschung zur Lösung der genannten Problemlagen beizutragen versucht; dies, um letztendlich Handlungsoptionen für den gesellschaftlichen Umgang mit natürlichen Ressourcen aufzeigen zu können. Doch gerade die inhaltliche Verschränkung von Gesellschaft und Natur, die in integrativen Analysen und Frameworks in der Nachhaltigkeitsforschung bearbeitet werden soll, stellt die Wissenschaft vor eine große Herausforderung. Und genau diese sozialwissenschaftliche Herausforderung gedenke ich in dieser Arbeit anzugehen, um einen grundlagentheoretischen Beitrag zur Nachhaltigkeitswissenschaft zu leisten. Dazu wird es nötig sein, die Grundlagen der Soziologie im Hinblick auf die Verschränkung von Natur und Gesellschaft zu beleuchten. Denn es zeigt sich, dass sich seit Beginn der Ausdifferenzierung der Wissenschaften im 19. Jahrhundert eine methodologische Trennung von Natur- und Geisteswissenschaften vollzogen hat. Diese Trennung hat zur Folge, dass Phänomene der Natur und Phänomene des menschlichen Geistes, zu denen auch soziale Phänomene gezählt werden können, kategorisch getrennt voneinander untersucht und erklärt werden. Diese methodologischen Grundlagen gelten eben auch für eine sozialwissenschaftliche Perspektive in der Nachhaltigkeitsforschung. Denn aufgrund der methodologischen Trennung von Natur- und Geisteswissenschaften wird das jeweilige Gegenüber kategorisch ausgeblendet, sodass dem integrativen Prinzip der Nachhaltigkeit, das heißt der dynamischen Verflechtung von Natur und Gesellschaft, nicht genügend Rechnung getragen werden kann. Dies wiederum hat zur Folge, dass wesentliche Fragen des gesellschaftlichen Umgangs mit Natur auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Bereichen des Zusammenlebens noch unbeantwortet bleiben. Insgesamt stellt sich die Frage, ob wir uns tatsächlich zunehmend entkoppeln von natürlichen Grundlagen, indem wir natürliche Phänomene nur ausreichend erforschen und natürliche Grenzen überwinden, oder ob wir uns eigentlich zunehmend mit der Natur im Zuge der vermeintlichen Überwindung ihrer Grenzen verpflechten. Die Frage ist somit auch, welchen Handlungseinfluss die "Natur" hat. Scheint es doch manchmal so, als determinierten Umweltereignisse auch soziale Ereignisse. Ich denke da an den Vulkanausbruch des Eyjafjallajökull, der ein europaweites Flugverbot auslöste, was wiederum etliche wirtschaftliche und politische Konsequenzen zur Folge hatte. All diesen Fragen gedenke ich mit dieser Dissertation sozialtheoretisch auf den Grund zugehen, um ein grundlegendes Verständnis dafür zu entwickeln, wie das dynamische Verhältnis von sozialer und biophysischer Welt konzipiert werden kann.
Im ersten Kapitel dieser Arbeit werde ich die theoretischen Grundlagen der Sozialwissenschaften als eine Geisteswissenschaft charakterisieren und darlegen, dass das sozialwissenschaftliche Paradigma seinen Ursprung in der Modernität wissenschaftlicher Auffassungen hat, woraus sogenannte blinde Flecken in Bezug auf natürliche Phänomene resultieren. Um das klassische sozialwissenschaftliche Paradigma zu verstehen, werde ich im ersten Kapitel die Konstitution des Sozialen anhand einiger ausgewählter klassischer Soziologen erläutern. Diese Erläuterung wird in einer Art Dialektik erfolgen, denn es ist anzunehmen, dass an den Stellen, wo natürliche, das heißt auch naturwissenschaftliche Phänomene sich von der sozialwissenschaftlichen Denksphäre abgespalten haben, dennoch mögliche Schnittstellen für eine Verbindung von Natur und Gesellschaft zu identifizieren sind. Anhand der Auseinandersetzung des ersten Kapitels möchte ich Überlegungen zu einem Paradigmenwechsel anstossen, der auch im zweiten Kapitel relevant sein wird.
Im zweiten Kapitel werde ich Natur-Gesellschafts-Konzepte vorstellen, die bereits einen sozialtheoretischen Beitrag zur genannten Problemstellung leisten. Es wird im Wesentlichen darum gehen, diese Konzepte auf ihre Leistungsfähigkeit für die Nachhaltigkeitsforschung hin zu hinterfragen und sie für das integrative Prinzip der Nachhaltigkeit fruchtbar zu machen. Das zentrale Forschungsdesiderat, das ich anhand der vorzustellenden Brückenkonzepte herausarbeiten werde, soll im dritten Kapitel mit einem eigenen Vorschlag zum Wechselspiel von Natur und Gesellschaft vorgestellt werden. Die Forschungslücke innerhalb der Sozialwissenschaften und damit in der Nachhaltigkeitsforschung, die ich im dritten Kapitel weiter präzisieren werde, besteht darin, dass das genannte Wechselverhältnis auf der institutionellen Ebene noch nicht ausreichend bearbeitet wurde. Diese Ebene ist aber gerade in der Nachhaltigkeitsforschung äußerst relevant, wenn es darum geht, das gesellschaftliche Handeln in Bezug auf die Nutzung natürlicher Ressourcen zu hinterfragen und alternative Handlungsoptionen aufzuzeigen. In diesem Sinne möchte ich mit meinem sozialtheoretisch begründeten Rahmenkonzept sozial-ökologischer Regime zur Fundierung der Nachhaltigkeitswissenschaft beitragen.
Nach der Legung der theoretischen Basis im dritten Kapitel wird im vierten Kapitel eine empirische Verdeutlichung des Konzepts sozial-öko-logischer Regime diskutiert werden. Das theoretische Rahmenkonzept sowie der dazugehörige empirische Beitrag sollen die interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung insofern bereichern, als dass im Prinzip natur- und auch sozialwissenschaftliche Erkenntnisse in diesem Konzept An-schlussfähigkeit finden sollen. Wünschenswert wäre, dass dieser Versuch sowohl Geistes- als auch Naturwissenschaftler anspricht und das Kon-zept sozial-ökologischer Regime im weitesten Sinne eine Brücke zwischen der natur- und sozialwissenschaftlichen Denkweise schlägt und damit zwi-schen den Formen der Erkenntnisgewinnung vermittelt. Hauptsächlich werde ich aber erörtern, wie relevant die Beiträge der Sozialwissenschaften in diesem neuen Forschungsbereich sind. Auf diese Weise strebe ich auch eine Stärkung der Sozialwissenschaften innerhalb der Nachhaltigkeitswissenschaften an, die in der naturwissenschaftlich dominierten Umweltforschung bislang noch unterrepräsentiert sind.
Konkret werde ich im vierten Kapitel das Konzept sozial-ökologischer Regime anhand von Fallbeispielen des Waldmanagements für eine empi-rische Operationalisierung aufbereiten und dabei drei verschiedene Wald-regime charakterisieren. Das von der Theorie abgeleitete Kategoriensystem wird die wesentlichen Elemente des Konzepts aufnehmen und die qualitative Inhaltsanalyse anleiten. Die Beschreibung dreier Waldregime in der Schweiz von Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart wird den Beitrag für die Nachhaltigkeitsforschung abrunden. Die Leistungsfähigkeit des Konzeptes werde ich in einem Schlusskapitel zusammenfassen und den Beitrag sowohl für die Nachhaltigkeitswissenschaft als auch für die Sozialwissenschaft als Geisteswissenschaft herausstreichen.
Zusammenfassend lässt sich als Vorschau auf die hier vorliegende Ar-beit sagen, dass sowohl in sozialtheoretischer Hinsicht als auch anhand von nachhaltigkeitsrelevanten Fallbeispielen zum Schweizer Wald das dynamische Verhältnis von Natur und Gesellschaft auf neue Weise konzipiert werden wird. Das Konzept der sozial-ökologischen Regime wird dazu dienen, die sozialtheoretische Problemstellung für die Nachhaltigkeitsforschung zu konkretisieren. Mit der hier gewählten Vorgehensweise möchte ich zudem im Sinne einer grundlegenden Reflexion über gesellschaftliches Handeln die sozialwissenschaftliche Perspektive in der Nachhaltigkeitsforschung stärken. Zu erhoffen ist, dass der theoretische Beitrag auch andere wissenschaftliche Disziplinen, die wechselseitige Phänomene der Natur- und Geisteswissenschaften zu erklären versuchen, anregt.