Aber was bedeutet genau limpieza de sangre? Diese Frage zu beantworten, ist eines der Ziele dieser Untersuchung und insofern kann und soll zunächst nur eine einführende Definition vorangestellt werden. Die treffendste Übersetzung der spanischen Bezeichnung limpieza de sangre ist im Deutschen wohl 'Reinheit des Blutes'. Die konzeptionellen Grundsäulen der limpieza-Vorstellung gliederten sich in die einander bedingenden dialektischen Kategorien von 'unreinen' (manchados, infectos) und 'reinen' (limpios) Individuen. Von 'reinem Geblüt' zu sein, bedeutete dieser Vorstellung nach, frei von jüdischer, moslemischer oder andersgläubiger 'Befleckung' zu sein. Mit anderen Worten: Menschen, die von Andersgläubigen abstammten, obwohl sie selbst oder ihre Vorfahren bereits zum Christentum konvertiert waren, galten nach jenem Dogma als 'befleckt'. Zwar war nach kanonischem Kirchenrecht den Söhnen und Enkelkindern von Häretikern (zwei Generationen) generell das Bekleiden von öffentlichen und kirchlichen Ämtern im christlichen Abendland des Mittelalters und der Frühen Neuzeit untersagt. Doch das Prinzip der 'Statuten zur Reinheit des Blutes' ging viel weiter: Demzufolge war den Neophyten und deren christlichen Nachfahren das Bekleiden von öffentlichen Stellen und der Zugang zu Universitäten, Ritterorden, religiösen Orden, Inquisition usw. verwehrt, wenn durch 'genealogische Untersuchungen' ein einziger 'befleckter' Blutstropfen unter ihren Ahnen nachgewiesen werden konnte. Das heißt, alle jüdischen und moslemischen Nachfahren, die zum Christentum übergetreten waren, waren einzig und allein aufgrund ihrer Abstammung gesellschaftlich und beruflich diskreditiert, unabhängig davon, ob sie fromme Christen geworden waren. Dies war in der Tat etwas Neues und im europäischen Kontext ausgesprochen singulär: Ein geradezu paradoxes Prinzip, wie auch einige kastilische Zeitgenossen des 15. Jahrhunderts betonten und kritisch hinterfragten, etwa der Bischof von Burgos Alonso de Cartagena. Denn gehen nicht die Wurzeln, auf die sich das Christentum beruft, teilweise auf das Judentum zurück?