In situ

Es gibt eine neue Architekturzeitschrift, genauer, eine Zeitschrift für Architekturgeschichte: INSITU. Periodika für Architektur sind zahlreich, doch beschäftigen sich diese nahezu ausschließlich mit dem gegenwärtigen Baugeschehen. Solche, in denen historische Architektur explizit behandelt wird, sind dagegen kaum auf dem Markt. Im Gegensatz zum breiten Informationsangebot zu neuer Architektur gerät die Befassung mit dem Wissen um ihre Geschichte dadurch zu kurz.
Insbesondere in der heutigen Zeit, in der die Globalisierung und die mit ihr verbundene umfassende Kommerzialisierung zu einer weitgehenden Anonymisierung der Architektur geführt haben, bedarf es vermehrt einer regelmäßigen Vergewisserung der Bauleistungen aus unserer Geschichte. Die profunde Auseinandersetzung mit der überkommenen Baukunst lässt kulturlandschaftliche Eigentümlichkeiten wieder lebendig werden. Sie erinnert erneut an das oft schon halb vergessene Vokabular der alten Architektursprachen und -dialekte und gibt so in Phasen der Austauschbarkeit, der Gleichförmigkeit und der Verunsicherung Halt durch Erkennen und Verstehen der jeweils charakteristischen Individualität historischer Architektur. Ein derart gestärktes Wissen festigt regionale Identität gegenüber weltläufiger Beliebigkeit.
Die Architektur ist bekanntlich die Mutter aller Künste. Erst sie gibt Ort und Raum für die anderen bildenden und darstellenden Künste, für Musik und Literatur, sie ist Element und Bezugspunkt für Stadtbaukunst und Gartenkunst. Sie ist unverrückbar, stets gegenwärtig, eben in situ. Ihre in Jahrtausenden gewachsene Vielfalt hatte und hat einen nachhaltigen Einfluss auf unser Dasein, im Positiven, aber auch im Negativen. Wir Menschen leben bewusst, bisweilen unbewusst in und mit ihr, sie prägt unseren Alltag und unsere Freizeit. Sowohl durch ihren vielfältigen Reichtum als auch durch ihre mitunter einfältige Dummheit bestimmt sie in erheblichem Maß unser Denken und Leben.
Das weite Spektrum aus allen Epochen historischer Architektur stellt INSITU in einem ausgewogenen Verhältnis von Text und Bild dar. Dazu gehört das Aufgreifen aktueller und strittiger Themen ebenso wie die Theoriediskussion. Zugleich will diese Zeitschrift ganz im Sinne der wesensmäßigen Absicht von Architektur, nämlich den Blick des Betrachters zu bannen, Sie, die Leserinnen und Leser, auch optisch bei der Lektüre fesseln – durch reiche, farbige, großzügige, aussagekräftige Bilder.