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Kreide

Globale Politik und Menschenrechte

Macht und Ohnmacht eines politischen Instruments

Medium: Buch
ISBN: 978-3-593-38597-6
Verlag: Campus Verlag GmbH
Erscheinungstermin: 11.02.2008
Lieferfrist: bis zu 10 Tage
Sind Menschenrechte, 60 Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, ein wirkungsvolles politisches Instrument? Diese Frage wird an zwei globalen Problemen untersucht: der Weltarmut und der Akzeptanz politischer Menschenrechte. Inwieweit ist Armut eine Menschenrechtsverletzung? Und gibt es einen globalen Anspruch auf Demokratie? Regina Kreide benennt die Möglichkeiten und Grenzen der Begründung und Umsetzung sozialer und politischer Menschenrechte. Ausgehend von ihren Ergebnissen, spricht sich Regina Kreide für ein Menschenrecht auf Demokratie aus, das auch in einer Welt pluraler Rechtsordnungen wirksam sein kann.

Produkteigenschaften


  • Artikelnummer: 9783593385976
  • Medium: Buch
  • ISBN: 978-3-593-38597-6
  • Verlag: Campus Verlag GmbH
  • Erscheinungstermin: 11.02.2008
  • Sprache(n): Deutsch
  • Auflage: 1. Auflage 2008
  • Serie: Campus Forschung
  • Produktform: Kartoniert
  • Gewicht: 381 g
  • Seiten: 264
  • Format (B x H x T): 144 x 217 x 20 mm
  • Ausgabetyp: Kein, Unbekannt

Autoren/Hrsg.

Autoren

Kreide, Regina

Danksagung

Menschenrechte in der Diskussion

Menschenrechte und soziale Autonomie

1. Umstrittene globale soziale Ansprüche
1.1 Funktionalistische Begründung
1.2 "Expansionistischer" Freiheitsbegriff
1.3 Soziale Autonomie

2. Ansprüche auf ›was‹?
2.1 Grundgüter und Ressourcen
2.2 Gleiche Chancen auf Wohlergehen
2.3 Fähigkeiten

3. Reichweite, Anspruchsberechtigung und Pflichten
3.1 Ausmaß
3.2 Anspruchsberechtigung
3.3 Pflichten

4. Verletzungen sozialer und ökonomischer Menschenrecht

Menschenrechte und politische Autonomie

1. Ein Menschenrecht auf Demokratie?
1.1 Interkulturelle Werte
1.2 Politische Kultur
1.3 Vernünftige Übereinkunft

2. Von der Moral zur Demokratie
2.1 Das Betroffenheitsprinzip im politischen Kontext
2.2 Praxis des Gründegebens
2.3 Funktion der Menschenrechte

3. Juridifizierung
3.1 Verhandlungsmodell
3.2 Deliberatives Modell
3.3 Die Performanz normativer Argumente

4. Das Verhältnis von Menschenrechten und Demokratie

Literatur

Register

Noch zu Beginn der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, als der US-amerikanische Präsident George Bush den Kalten Krieg für beendet erklärte, glaubten viele, unter den Auspizien der Vereinten Nationen könnten - sich eine neue Weltordnung und ein Regime der Menschenrechts- und Friedenssicherung auf Dauer etablieren. Militärische Einsätze zur "Lösung" außen- und innenpolitischer Auseinandersetzungen ohne Zustimmung und Kontrolle durch die Vereinten Nationen schienen auf dem besten Wege, in den Archiven anachronistischer internationaler Konfliktbewältigung zu landen. Auch die beiden internationalen Kriegsverbrecher-Tribunale in Den Haag und Arusha, die im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda begangene Verbrechen ans gerichtliche Licht bringen sollten, bestärkten die Hoffnung, dass die Menschenrechte nicht mehr nur moralisch brüllende, ansonsten aber krallenlose Papiertiger sind. Zusammen mit der unübersehbaren weltweiten Zunahme demokratischer Regierungssysteme schienen dies deutliche Indizien dafür zu sein, dass die Missachtung der Menschenrechte sich nicht nur in Empörung entlädt, sondern weltweit zu einem Straftatbestand wird, der gerichtlich verfolgt und verurteilt werden kann. Doch die Verheißungen einer effektiven und demokratisch legitimierten Menschenrechtspolitik sind inzwischen, kurz vor dem 60-jährigen Bestehen der Universellen Deklaration der Menschenrechte im Jahre 2008, erheblich verblasst. Hierfür gibt es wenigstens drei Gründe.

Erstens wurde die Legitimation einer Menschenrechtspolitik, die auf verbindlichen Standards beruht, mehr als einmal diskreditiert. Ein prominentes Beispiel dafür ist eine Weltinnenpolitik, die entgegen allen Vereinbarungen, oft gerade in entscheidenden Fällen, ohne Rückbindung an die Vereinten Nationen betrieben wurde. Als die USA und Großbritannien am 16. Dezember 1998 im Alleingang den dritten Golfkrieg begannen, genau zu der Zeit, als der Sicherheitsrat noch über die Interventionsfrage tagte, wurde der erstaunten Weltöffentlichkeit in frappierender Deutlichkeit die Entmachtung der Vereinten Nationen durch die eigentliche Supermacht vorgeführt. Bereits dieser amerikanisch-britische Regelverstoß hatte das Ansehen und die Leistungsfähigkeit der Vereinten Nationen als Garant eines Frieden schaffenden Regimes nachhaltig beschädigt. Der wenige Monate später initiierte Kosovo-Einsatz geschah ebenfalls ohne UN-Mandat. Allerdings vertraten diesmal nicht allein die USA die Ansicht, dass die Notlage der Kosovaren, die Erfolgsaussichten des Einsatzes sowie fehlende Alternativen dazu berechtigten, von einer völkerrechtlich legitimierten Nothilfe auszugehen. Auch neunzehn andere NATO-Staaten stimmten dem Einsatz zu. Unverkennbar aber blieb, dass sich in den Öffentlichkeiten der beteiligten (und auch der nicht-beteiligten) Staaten erheblicher Widerstand gegen einen moralisch begründeten Vorgriff auf eine zwangsbewehrte Menschenrechtspolitik regte. Noch schiebt die gegenwärtige Rechtslage der Ahndung von Menschenrechtsverletzungen ohne Einwilligung der Staaten einen Riegel vor. Und nicht wenige kritische Stimmen fordern, dass sich daran so schnell auch nichts ändern möge.

In der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit wurden danach neben der Meinung von Pazifisten, die sich für ein unbedingtes Gewaltverbot aussprachen, auch Bedenken laut, die sich grundsätzlich gegen eine internationale Politik auf Basis der Menschenrechte richteten. Man fürchtete eine moralistische Überfrachtung der Politik ebenso wie die Überstrapazierung des Völkerrechts, das schließlich immer noch rechtlicher und nicht moralischer Natur sei. Der Partikularisierung der Menschenrechte würde man zudem, so argwöhnische Töne, gerade Vorschub leisten, wenn der Westen, und mit ihm politisch und ökonomisch starke Staaten, nicht den Eindruck vermieden, Menschenrechte für andere Zwecke zu instrumentalisieren.
Für die Rechtfertigung des Irak-Krieges 2003 wurden schließlich eine enge Auslegung des Gewaltverbots auf der einen Seite und ein weit gefasster Begriff der Bedrohung des Weltfriedens bemüht - eine Einschätzung, die von den allerwenigsten Völkerrechtler/innen, Philosoph/innen und Politikwissenschaftler/innen geteilt wird. Guantanamo Bay, Abu Graib und nicht zuletzt der Fall Al-Masri haben unter den Bürger/innen der Welt das Vertrauen in die politische Glaubwürdigkeit ihrer eigenen Regierung erschüttert und damit in Rechtsstaatlichkeit und deren demokratische Kontrolle. Der Verrechtlichung internationaler Beziehungen scheint die drohende Entrechtlichung als ständige Begleiterin zur Seite gestellt zu sein. Rechtsstaatlichkeit wird zu einer Angelegenheit, die gegebenen politischen Konstellationen anheim gestellt werden kann. Man kann von einer Dialektik der Verrechtlichung sprechen, die ihr Gegenteil, die Entrechtlichung hervorbringt. Diese liegt in der Verkehrung des Völkerrechts als politisches Machtinstrument, das die beteiligten Akteure nicht an ihre Entscheidungen bindet.