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Postberg

Macht und Geld

Über die gesellschaftliche Bedeutung monetärer Verfassungen

Medium: Buch
ISBN: 978-3-593-39863-1
Verlag: Campus Verlag GmbH
Erscheinungstermin: 14.02.2013
Lieferfrist: bis zu 10 Tage
Christian Postberg beleuchtet zwei große geldwirtschaftliche Umbrüche: Im europäischen 13. Jahrhundert kam Silbergeld gesamtgesellschaftlich in den Umlauf, es entstand eine Kaufmannsschicht und Arbeit wurde käuflich. Im 20. Jahrhundert wurde statt Vollgeld das Kreditgeld maßgeblich. Der Finanzsektor erfuhr dadurch einen rasanten Aufstieg, während es zugleich zu Instabilität und Inflation kam. Vor dem Hintergrund dieser beiden Umbrüche untersucht der Autor auf der Basis eines machttheoretischen Zugangs, inwiefern sowohl Zwänge und Chancen einer Gesellschaft als auch die soziale Ungleichheit zwischen deren Mitgliedern durch die Art des Geldes geprägt sind. Dabei stellt er eine der dringendsten Fragen des modernen Kapitalismus: Ist Geld in seiner zeitgenössischen Ausprägung noch ein verlässlicher Indikator gesellschaftlicher Bedürfnisse und Abhängigkeiten?

Produkteigenschaften


  • Artikelnummer: 9783593398631
  • Medium: Buch
  • ISBN: 978-3-593-39863-1
  • Verlag: Campus Verlag GmbH
  • Erscheinungstermin: 14.02.2013
  • Sprache(n): Deutsch
  • Auflage: 1. Auflage 2013
  • Produktform: Kartoniert
  • Gewicht: 246 g
  • Seiten: 188
  • Format (B x H x T): 141 x 213 x 15 mm
  • Ausgabetyp: Kein, Unbekannt

Autoren/Hrsg.

Autoren

Postberg, Christian

Christian Postberg, Dr. rer. soc. oec., ist Soziologe und promovierte an der Universität Graz, Österreich.

Inhalt

1 Einleitung 7

2 Machttheorie 12
2.1 Anatomie der Macht 12
Begriffsgeschichte 18
Kritik am Substanzbegriff 28
2.2 Die Wissenschaft vom Menschen als Figuration und Prozess 31
Machtbalance und Figuration 33
Das integrative Universum 38
2.3 Die Prozessautonomie als Machtphänomen 41
Dynamik prozessualer Machtbalancen 45
Dynamik figurativer Machtbalancen 54

3 Geldfunktion 59
Geldarten 62

4 Anfänge der abendländischen Geldwirtschaft 69
4.1 Erschließung der großen Geldquelle 69
Die Wiege des Monetarisierungsprozesses 74
Monetarisierung der Gesellschaft 80
4.2 Bedeutungsverlust unfreier Arbeit gegenüber dem Altertum 87

4.3 Vollgeld als prozessuales Machtmittel 92
Differenzierung der Machtbeziehungen 97
Fortschrittsdynamik durch Vollgeld 100
4.4 Bedeutende figurative Auswirkungen von Vollgeld 103
Monetarisierung des Lehns 104
Kommerzialisierung von Arbeitsleistung 109

5 Fiat Fides 115
5.1 Vom Vollgeld zum Kreditgeld 115
Der Weg zur reinen Kreditgeldverfassung 118
5.2 Die reine Kreditgeldverfassung 127
5.3 Kreditgeld als prozessuales Machtmittel 137
Zeitdimension 137
Raumdimension 142
Wertsymbolik 148
Bankenwettbewerb 150
5.4 Bedeutende figurative Auswirkungen von Kreditgeld 155
Vermögen harmonisierende Inflation? 156
Im Auftrag der Effizienz 161
Monetäre Unabhängigkeit der Banken 165

6 Schluss 170

Tabellenverzeichnis 180
Abbildungsverzeichnis 181
Literatur 182

›Geld ist Macht!‹ - Diese Feststellung ist eine jener Volksweisheiten, denen man schwer widersprechen kann und die man besser früh als spät zu seiner rhetorischen Grundausstattung zählt, um sich beim Debattieren über die neuesten Wendungen der Weltgeschichte notfalls einen würdevollen Rückzug sichern zu können. ›Wer Geld hat, entscheidet, wo es lang geht. Es musste ja so kommen - denn schließlich regiert das Geld die Welt.‹ Der soziologische Gehalt dieser Feststellung wiegt so schwer, dass sich Fragen des Fachs bezüglich sozialen Wandels eigentlich erübrigen. Wird jedoch die Volksweisheit mit einer Frage nach dem ›warum‹ oder einem ›inwiefern‹ konfrontiert, zeigt sich schnell, dass der Hausverstand überfordert um Antworten ringt. Mit der Nachfrage verabschiedet sich die Sicherheit gemeinsam mit der Trivialität. Übrig bleibt ein großes soziologisches Problemfeld. Der soziostrukturellen Bedeutung von Geld in seiner spezifisch historischen Ausprägung machttheoretisch näher zu kommen, ist das Ziel dieser Untersuchung. Da es dem Machtbegriff nicht an begrifflicher Vieldeutigkeit und Anwendungsproblemen mangelt, sind dafür theoretische Vorarbeiten notwendig. Dem ersten Kapitel kommt daher die Aufgabe zu, ein machtheoretisches Vokabular zu formulieren, welches eine prozesshistorische Anwendung gestattet und sich genuin für die Analyse von Machtwandel eignet. Um die Relevanz dieses Bestrebens darzulegen, werden zunächst begriffsgeschichtlich Konzeptionen von Macht erarbeitet, denen ein verdinglichendes Verständnis von Macht gemein ist. Der mystisch-transzendentale Ursprung dieses Machtverständnisses und das Folgeproblem der Zustandsreduktion sollen herausgestellt werden. Die ausdrückliche Betonung des Beziehungs- und Prozesscharakters ist der Grund, warum in der Folge der Machtbalancebegriff von Norbert Elias Bevorzugung erfährt, dessen theoretische Basis dargelegt und letztlich auch weiterentwickelt wird. Hinsichtlich der machttheoretischen Wirkung zweier verschiedener Geldarten, des Vollgelds des 13. Jahrhunderts und des zeitgenössischen Kreditgelds, findet das Vokabular dann seine Verwendung.

Das sozialwissenschaftliche Rätsel, welches sich bezüglich des ›langen‹ 13. Jahrhunderts (1150-1350) stellt, ist die auffällig hohe soziale Prägekraft der ersten europäischen Silberfunde des Hochmittelalters. Warum war just nach den Silberfunden eine starke, auf feudale Gesellschaftsstrukturen erodierend wirkende Dynamik zu beobachten? Was machte, mit anderen Worten, Silber als Geld so besonders für das Interdependenzgeflecht, dass es zu grundlegenden Veränderungen Jahrhunderte währender Strukturen beitragen konnte? Und warum waren es nicht die Personen, die das Silber weitgehend autonom aus den Stollen schlugen, oder die ritterlichen Edelmänner, denen das Stück Land gegeben war, auf dem sich das Silber befand, die am signifikantesten vom neuen Silberreichtum profitierten? Der Ertrag des ersten historischen Teils kann zu einem besseren Verständnis des Einflusses der Geldverbreitung auf das Interdependenzgeflecht als Ganzes sowie auf die charakteristischen Machtpositionen dieser Zeit, jene des Feudalherrn und Bauern bzw. des Zentralherrn und des städtischen Dienstleisters, beitragen. Dies beinhaltet den exemplarischen Beitrag zur sozialhistorischen Fragestellung, ob der vermehrte Geldgebrauch lediglich ein Symptom der abendländischen Dynamik unter vielen ist, oder ob es sich eher umgekehrt verhielt und die Verbreitung von Geld die große Dynamik des 13. Jahrhunderts maßgeblich beförderte. Zudem wird die nötige geldhistorische Kontrastfläche für den folgenden, sich mit modernem Kreditgeld befassenden Abschnitt bereitet. Die so entstehende Vergleichsmöglichkeit der machttheoretischen Wirkung von zwei unterschiedlichen Geldarten hilft aufzuzeigen, dass die jeweiligen Prinzipien, auf denen die Geldfunktion gründet, und ihre jeweils spezifische institutionelle Ausformung von großer sozialer Bedeutung sind.

Im zeitgeschichtlichen Teil soll durch die machttheoretische Analyse des modernen Kreditgelds herausgearbeitet werden, inwiefern die heute so sichtbare finanzwirtschaftliche Instabilität und die Herstellung sozialer Ungleichheit bereits in der Struktur des gegenwärtigen Geldwesens angelegt sein könnten. Insbesondere die Bedeutung des sozialen Ortes der Geldschöpfung sowie des Zinses werden hinsichtlich der Machtpositionen des Lohn- und Gehaltsempfängers, des Rentiers und des Finanzsektors beleuchtet. Das gleichzeitige Auftreten von hoher Volatilität und Krisenanfälligkeit im modernen Finanzsystem und der dennoch große Einfluss und Wohlstand eben der Akteure, die dem Finanzsystem am nächsten stehen, ist gewissermaßen das Rätsel, dessen Lösung hier durch die machttheoretische Analyse monetärer Aspekte näher gekommen werden soll. Dabei wird auf die zins- und geldtheoretischen Erkenntnisse der Österreichischen Schule der Nationalökonomie zurückgegriffen. Diese hat spätestens mit Ludwig von Mises' Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel ein differenziertes Geldverständnis, das ausdrücklich auf die weitreichenden Konsequenzen für die Geldfunktion hinweist, wenn es zunehmend Geschäftsbanken sind, die die Initiative zur Geldschöpfung besitzen. Sie rückten damit auch genau jene strukturellen Aspekte in den Fokus ihrer Untersuchungen, dessen Logik es zu verstehen gilt, wenn man nach der gesellschaftlichen Stärke der Bankenbranche im Kontext hoher Volatilität und Krisenanfälligkeit des modernen Finanzsystems fragt. Zur Anwendung kommen ihre geldtheoretischen Einsichten jedoch vornehmlich bezüglich konjunktureller Fragestellungen. Mit dem sich in den dreißiger Jahren vollziehenden Exodus aus Wien in angelsächsische Teile der Welt verstärkte sich zudem die Tendenz der Schule zum politischen Individualismus in teils radikalem Ausmaß. Kritische Auseinandersetzungen mit Phänomenen der sozialen Ungleichheit blieben in der Folge aus.

In der Soziologie fanden hingegen die strukturellen Veränderungen des Geld- und Kreditwesens der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wenig Beachtung. Die sozialökonomischen Konsequenzen, die sich aus der Etablierung von Kreditgeld ergeben, blieben zumeist unbedacht. Fragen danach, ob beispielsweise die hohen Verdienstmöglichkeiten der Finanzindustrie nicht auch eine Konsequenz des spezifischen Aufbaus des heutigen Geldwesens sein könnten, kamen so gar nicht erst auf. In der Folge fällt es dem historischen Materialismus und kultursoziologischen Erklärungsansätzen sozialer Ungleichheit schwer zu begründen, warum in den vergangenen vier Jahrzehnten insbesondere auch diejenigen Positionen im Interdependenzgeflecht an Geld und Einfluss gewannen, die ursprünglich weder über herausragend hohes kulturelles, materielles noch politisches Potenzial verfügten, sondern sich lediglich durch ihre Nähe zum sozialen Ort der Geldschöpfung auszeichneten. In der Soziologie ist bis heute ein Verständnis von Geld fest verankert, das sich vornehmlich auf das Geldwesen des 19. Jahrhunderts bezieht und durch bedeutende Protagonisten, wie Karl Marx und Georg Simmel es waren, aus dem Kontext jener Zeit hervorgegangen ist. Noch immer ist es hinsichtlich soziostruktureller Aspekte oft recht funktionalistischer, eben auch orthodox ökonomischer Natur. Geld gilt als ein weitestgehend neutrales, gewissermaßen einfach durch Handel gegebenes Interaktions- und Integrationsmedium. Soziologisch wird so allein die Verfügung über Geld als Machtphänomen gedeutet, nicht aber die Mechanismen, die seine Herstellung und Institutionalisierung betreffen. Doch Geld ist nicht einfach gegeben, es muss auf die eine oder andere Art von Menschenhand erschaffen und verwaltet werden und dies geschieht heute auf grundlegend andere Weise als in vergangenen Jahrhunderten. Das gegenwärtige Geld- und Kreditwesen besitzt einen spezifischen Charakter, und Schlussfolgerungen, die einst zutreffend sein konnten, verkehren sich für heute mitunter ins Gegenteil.