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Rau

Psychopolitik

Macht, Subjekt und Arbeit in der neoliberalen Gesellschaft

Medium: Buch
ISBN: 978-3-593-39304-9
Verlag: Campus Verlag GmbH
Erscheinungstermin: 04.10.2010
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Die Subjektivität von Arbeitskräften ist in den letzten Jahren von Unternehmen als Produktivfaktor entdeckt worden. Beschäftigte sollen und können sich mit ihrer ganzen Person und Erfahrung in den Arbeitsprozess einbringen. Im Anschluss an Michel Foucaults Konzept der Gouvernementalität untersucht Alexandra Rau die damit verbundenen neuen Formen der Macht, die weniger durch Zwang und Kontrolle als durch Anreize und Freiräume operieren. Zur Charakterisierung dieses neuen Machttypus entwickelt sie unter Berücksichtigung der Geschlechterverhältnisse den Begriff der Psychopolitik: Erst durch die Entstehung der modernen Psyche und damit korrespondierender Kämpfe konnte sich eine neue Regierungsweise herausbilden, die die neoliberale Gesellschaft insgesamt kennzeichnet.

Ausgezeichnet mit dem WISAG-Preis für die beste Dissertation an der Goethe-Universität Frankfurt am Main zum Thema "Gesellschaftlicher Zusammenhalt"

Produkteigenschaften


  • Artikelnummer: 9783593393049
  • Medium: Buch
  • ISBN: 978-3-593-39304-9
  • Verlag: Campus Verlag GmbH
  • Erscheinungstermin: 04.10.2010
  • Sprache(n): Deutsch
  • Auflage: 1. Auflage 2010
  • Produktform: Kartoniert
  • Gewicht: 598 g
  • Seiten: 450
  • Format (B x H x T): 141 x 221 x 35 mm
  • Ausgabetyp: Kein, Unbekannt

Autoren/Hrsg.

Autoren

Rau, Alexandra

Inhalt

Dank 7

1. Einleitung 9

2. "Subjektivierung von Arbeit" - die Debatte und ihre Grenzen 17
2.1 Problem I: Der Subjektbegriff in der Krise 29
2.2 Problem II: Die historische Unterbestimmtheit des "Selbst" 41

3. Das Subjekt denken - mit der Gouvernementalität 51
3.1 Das Konzept der Gouvernementalität auf eine Spur setzen 52
3.2 Gouvernementalität: Konzeptionelle Betrachtung 65
3.3 Gouvernementalität: Zeitdiagnostische Betrachtung 116

4. ›Psychopolitik‹ - Der Homo psychologicus und der Aufstieg der Psyche zu einer spätmodernen Regierungsweise 178
4.1 Station I: Anfänge eines psychologischen Diskurses und die Entstehung der Psyche als modernes Selbstkonzept 185
4.2 Station II: Die Psychotechnik in der Disziplinargesellschaft 247
4.3 Station III: ›Psychopolitik‹ als Regierungsweise der Gegenwartsgesellschaft 267
4.4 ›Psychopolitik‹ und Macht in subjektivierten Arbeitsverhältnissen - vorläufige Betrachtung 301

5. Empirischer Teil - ›Psychopolitik‹ und subjektivierte Arbeitsverhältnisse in der IT-Branche 305
5.1 Die IT-Branche als Untersuchungsfeld 306
5.2 Das Untersuchungssample 311
5.3 ›Psychopolitische Linien‹ subjektivierter Arbeitsverhältnisse 313
5.4 Geschichten von individuellen Kämpfen für und gegen Subjektivierung 365

6. Schluss - und einige Schlüsse 405
6.1 ›Psychopolitik‹ und "Subjektivierung von Arbeit" 406
6.2 Feminisierung der Arbeit? - Remaskulinisierung der Lebensführung und der Existenzweise 411
6.3 Die ›psychopolitische‹ Produktion ungleicher Erfahrungen in subjektivierten Arbeitsverhältnissen 414
6.4 Es wird gekämpft - die Spezifik von Kämpfen bestimmen 417
6.5 Ausblick 420

7. Literatur 423

Seid Subjekte der Arbeit! - dies ist der Appell an Beschäftigte, mit dem heute das Kapital in westlichen Gesellschaften maßgeblich arbeitet (vgl. Lazzarato 1998). Er verweist auf einen neueren Formwandel der Lohnarbeit und der Ware Arbeitskraft, den die deutsche Industrie- und Arbeitssoziologie vor gut zehn Jahren unter dem Stichwort "Subjektivierung von Arbeit" diagnostiziert hat (Moldaschl/Voß 2002a). Die ersten Anzeichen dieser Transformation allerdings wurden bereits auf den Anfang der 1980er Jahre datiert und im Zusammenhang der Krise des taylorfordistischen Produktionsmodells diskutiert. Auch wenn bis heute die Konturen eines neuen Akkumulationsregimes trotz richtungsweisender Bezeichnungen wie "Finanzmarkt-Kapitalismus" (Dörre/Brinkmann 2005) oder "High-Tech-Kapitalismus" (Haug 2003) weiterhin nicht klar umrissen sind, so ist doch klar, dass Produktion und Arbeit unter dem Vorzeichen einer globalisierten Marktökonomie dem politischen Projekt eines "neoliberalen Kapitalismus" unterstellt und vor dessen normativem Ideal der "Steigerung von Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft" neu verhandelt wurden (Haubl 2008: 325). Daran hat auch die Neuformierung des kapitalistischen Modells nach der Finanzkrise nichts geändert.
Die in genau diesem Kontext situierte Diagnose einer "Subjektivierung von Arbeit" steht im Zentrum der Auseinandersetzung dieser Studie. Ihr Kern besteht in der Beobachtung, dass mit dem Strukturwandel von Lohnarbeit und der gesellschaftlichen Verfasstheit von Arbeitskraft tendenziell und programmatisch eine "komplementäre Veränderung des Status, der Funktion und der Konstitution von Subjektivität" erfolgt (Arbeitsgruppe SubArO 2005: 8). Der Fachdebatte nach werden heute im Vergleich zum Taylorfordismus verstärkt subjektive Potenziale im Produktionsprozess geltend gemacht. Eigeninitiative, Selbstbestimmung, die Subjektivität der Beschäftigten, kurzum: der "subjektive Faktor" findet, so die Analyse, in der Produktion eine systematische Aufwertung.TP PTMitunter wird dabei auch von einer "Feminisierung von Arbeit" gesprochen, da deutlich soziale und kommunikative Fähigkeiten aufgerufen werden und diese als Eigenschaften gelten, die gesellschaftlich dem Weiblichen zugeordnet sind.
Nun wird in der Diskussion die Entstehung der "Subjektivierung von Arbeit" auf zwei unterschiedliche Ursachen zurückgeführt. Zum einen besteht die Annahme, dass die Entwicklung dem Interesse des Kapitals folgt. Das Stichwort "Subjektivierung von Arbeit" verweist in diesem ersten Sinn auf einen strategisch veränderten Gebrauch lebendiger Arbeit durch das Management, auf eine "neue Stufe der Erschließung subjektiver Leistungspotenziale für Zwecke der Erwerbsarbeit" (vgl. Pongratz 2005: 60). Erkannt wird damit eine Weiterentwicklung der Produktivkraft. Thematisiert wird unter diesem Aspekt, dass Beschäftigte dazu aktiviert werden, Arbeitsprozesse selbst zu steuern und einem Erfordernis zur Selbst-Organisation und Selbst-Überwachung ausgesetzt sind (vgl. Lohr 2003: 511). Vermerkt wird entsprechend eine besondere "Arbeit am Selbst", die im Produktionsprozess nötig wird (Moldaschl/Voß 2002b: 15). Zum anderen bezieht sich die Diagnose einer "Subjektivierung von Arbeit" auf gewachsene subjektive Ansprüche von Beschäftigten selbst an ihre Arbeit. In diesem zweiten Sinn sind es die Interessen der Arbeitskräfte, die für die Entwicklung verantwortlich zeichnen. Sie werden daran markiert, dass das Feld der Erwerbsarbeit von Beschäftigten als ein Ort zur Persönlichkeitsentwicklung, der Kreativität und mit Erlebnisqualität begriffen wird. Sowohl sinnvolle Arbeitsinhalte als auch die Gestaltung der eigenen Arbeitsbedingungen werden der Betrachtung nach von den Subjekten der Arbeit eingefordert.
Bedeutsam für die vorliegende Untersuchung ist nun, dass die damit umrissene doppelte Entwicklung, die in der Bezeichnung "Subjektivierung von Arbeit" gebündelt ist, Konsequenzen für die Art hat, in der in der Debatte die Frage von Macht und Herrschaft verhandelt wird. Das Spektrum rangiert von der Deutung einer ideellen Subsumtion unter das Kapital in Form eines funktionalen Zugriffs auf bislang unausgeschöpfte Ressourcen der lebendigen Arbeit bis hin zu der Position, die neuartige Handlungsräume und realistische Chancen auf autonome und selbstbestimmte Gestaltung von Arbeit und Leben erkennt. Unabhängig von der Positionierung hat die Industrie- und Arbeitssoziologie mit der Beobachtung einer "Subjektivierung von Arbeit" das grundsätzliche Problem, dass das von ihr bis dato verwendete Koordinatensystem der kritischen Analyse zur Disposition steht. Denn die bislang vorherrschende Annahme, das Subjekt und die selbstbestimmte Handlung seien wie in den Bedingungen des Taylorsystems Größen von Widerstand und Freiheit, ist so leicht nicht mehr aufrecht zu erhalten (vgl. Kocyba 2005: 80). Die Anrufung von Beschäftigten, Subjekte der Arbeit zu sein, erscheint gerade als nicht frei von Kapitalinteressen und demzufolge die Strategie von KapitalismuskritikerInnenTP PT, den "subjektiven Faktor" einzuklagen, als zumindest irritiert. Hingegen zeigt sich mit Blick auf die Arbeitskräfte in subjektivierten Lohnarbeitsverhältnissen das Verhältnis von Unterwerfung und tatsächlichen subjektiven Möglichkeitsräumen als widersprüchlich. In Bestimmungen wie etwa die einer "Herrschaft durch Selbstbeherrschung" bildet sich diese Einschätzung begrifflich ab.