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Schäfer

Hans Joas in der Diskussion

Kreativität - Selbsttranszendenz - Gewalt

Medium: Buch
ISBN: 978-3-593-39524-1
Verlag: Campus Verlag GmbH
Erscheinungstermin: 19.04.2012
Lieferfrist: bis zu 10 Tage
Die Themen Kreativität, Selbsttranszendenz und Gewalt erzeugen in der Forschung des Soziologen und Sozialphilosophen Hans Joas eine Spannung, aus der ein kreativer und eigener Denkansatz in der deutschen Sozialwissenschaft entstanden ist. Er schöpft aus der Quelle einer langjährigen Auseinandersetzung mit dem US-amerikanischen Pragmatismus und seiner Betonung der Bedeutung menschlicher Handlungen. Daraus hat Joas eine eigene Position zur Entstehung von Werten und Normen entwickelt. Seine neueren Forschungen
zur Entstehung der Menschenrechte als einem Prozess der Verarbeitung von Gewalterfahrung sowie der Sakralisierung der Person setzen dieses Programm konsequent fort.

Produkteigenschaften


  • Artikelnummer: 9783593395241
  • Medium: Buch
  • ISBN: 978-3-593-39524-1
  • Verlag: Campus Verlag GmbH
  • Erscheinungstermin: 19.04.2012
  • Sprache(n): Deutsch
  • Auflage: 1. Auflage 2012
  • Produktform: Kartoniert
  • Gewicht: 219 g
  • Seiten: 168
  • Format (B x H x T): 144 x 216 x 13 mm
  • Ausgabetyp: Kein, Unbekannt

Autoren/Hrsg.

Herausgeber

Schäfer, Heinrich Wilhelm

Weitere Mitwirkende

Deuser, Hermann

Joas, Hans

Kippenberg, Hans G.

Knöbl, Wolfgang

Markschies, Christoph

Schäfer, Heinrich Wilhelm

Wingert, Lutz

Inhalt

Vorwort 7

Zur Einleitung

Pragmatik und Widerstreit
Heinrich Wilhelm Schäfer 11

Hans Joas und sein Werk
Christoph Markschies 19

Pragmatismus

Kreativität und Abduktion
Hermann Deuser 35

Antwort auf Hermann Deuser
Hans Joas 49

Religion

Religionsanalyse im Zusammenhang mit einer pragmatistischen Handlungstheorie
Hans G. Kippenberg 59

Antwort auf Hans Gerhard Kippenberg
Hans Joas 79

Normativität

Wertbindung ohne Relativismusfalle?
Lutz Wingert 89

Antwort auf Lutz Wingert
Hans Joas 113

Krieg

Die Sozialtheorie und das Problem des Krieges
Wolfgang Knöbl 121

Antwort auf Wolfgang Knöbl
Hans Joas 137

Menschenrechte

Die Sakralität der Person
Hans Joas 147

Die Autoren 167

Die wichtigste theoretische Quelle für Hans Joas war der US-amerikanische Pragmatismus. Dessen Einfluss war entscheidend, um aus der sozialwissenschaftlichen Zwickmühle zwischen Funktionalismus und Phänomenologie heraus zu navigieren. Der evangelische Theologe und Pragmatismus-Experte Hermann Deuser macht die Besonderheiten der Joas'schen Rezeption zum Thema. Die Auseinandersetzung mit William James, John Dewey und vor allem George Herbert Mead - weniger mit Peirce - schärfte den Fokus auf die Prozesse der Bildung des Selbst aus zeichenvermittelten sozialen Relationen, ein zentrales Moment für die Entwicklung einer Deskription der Entstehung wertorientierter Haltungen wie etwa religiöser Überzeugungen.

Die Quellen von Joas' religionssoziologischer Arbeit werden vom Bremer Religionswissenschaftler Hans G. Kippenberg ausgelotet und auf ihre Wasserqualität überprüft. Am Beispiel des Handlungsfeldes Religion wird deutlich, wie weit der pragmatische Ansatz in den Sozialwissenschaften reicht, wenn es darum geht, die Alternativen von rationalistischer Zweck- und funktionalistischer Normenorientierung zu überwinden. Kippenberg stellt hier den pragmatistisch gefassten Begriff der Situation in den Mittelpunkt. Von diesem Situationsbegriff her lässt sich, im Zusammenspiel mit der Mead'schen Theorie der Selbstbildung, ein flexibles Konzept kreativen Handelns erzeugen, welches gleichwohl nicht rational individualistisch ausfällt, sondern Wertbildung und Wertbindung plausibel macht. Eine tiefer greifende Beschäftigung mit Max Weber wäre hier aus Kippenbergs Sicht von Nutzen - ein Monitum freilich, welches Joas, der ja vor allem auf Ernst Troeltsch zurückgreift, nicht unerwidert lässt.

Ein Disput von einiger Grundsätzlichkeit und Tragweite entspinnt sich in der nächsten Disputationsrunde zwischen Lutz Wingert und Hans Joas. Der Züricher Sozialphilosoph und Habermas-Schüler formuliert - mit einem deutlich sichtbaren Satzzeichen - die Frage nach einer "Wertbindung ohne Relativismusfalle?". Mit dem genauen Blick eines auch in der analytischen Philosophie geschulten Gelehrten prüft Wingert Schritt für Schritt und mit feinstem Augenmaß Joas' normrelevante Konzepte, die um den Begriff des Wertes kreisen. Wingerts vorsichtige Archäologie fördert zunächst mehr Kompatibilität zutage, als man erwartet hätte - um freilich zielsicher die Wertegeneralisierung als zentrales Problem anzusteuern. Die Relativismusfalle sei (noch) nicht zugeschnappt, wohl aber gespannt. Joas würdigt seinerseits Wingerts Beitrag als "den meines Wissens ersten gründlichen Versuch aus der Habermas-Schule", sich mit seinem Werk auseinanderzusetzen, und profiliert scharf die Notwendigkeit einer erfahrungsgestützten Verschränkung von Argument und Narration für die Hervorbringung gerade von universalen Geltungsansprüchen wie dem der Menschenrechte. Die Entscheidung über die Frage, ob die Relativismusfalle tatsächlich noch gespannt ist, hängt jedenfalls von einer deskriptiven Aussage über die Falle ab. Auf Weiteres darf man gespannt sein.

Dass noch manches Weitere aus einem pragmatistisch orientierten Ansatz in den Sozialwissenschaften erwartet werden kann, wird an Wolfgang Knöbls Beitrag zur Disputation deutlich. Der Göttinger Soziologe überführt Denkimpulse des Joas'schen Ansatzes - insbesondere aus Joas' eigener makrosoziologischer Beschäftigung mit der Kriegsproblematik - in seine Forschungsgebiete der international vergleichenden Makrosoziologie sowie der historischen politischen Soziologie. Frühere Kooperationen zwischen Joas und Knöbl bezogen sich schon unter anderem auf das Gebiet der soziologischen Kriegsforschung, die - nach Joas - eher die Verdrängung des Krieges aus dem sozialwissenschaftlichen Blick als seine (Ursachen-)Analyse bewerkstelligt hat. Knöbl zeigt mit einem reflexiven Blick auf herrschende Theoriestränge, wie das Phänomen des Krieges unter makrosoziologischen Prozesstheorien über die Entstehung der Moderne (Modernisierung, Differenzierung, Säkularisierung) derart verdeckt wird, dass diese Theoreme geradezu den Charakter von Kampfbegriffen annehmen. Dagegen sei eine nicht-rationalistische Theorie des Krieges nötig, die eine Orientierung am Werk Charles Tillys mit einem pragmatistischen Blick auf die nicht-rationale, kontingente - und darin eben auch historisch potentiell innovative - Dynamik von Gewalt verbindet. Joas nimmt den Ball auf, indem er die "harten Prozessbegriffe" als einen Versuch auffasst, dem Problem der historischen Vernunft eine nach-Hegelianische Lösung angedeihen zu lassen. Stattdessen seien Methoden der Fallanalyse und Fallgeneralisierung angebrachter. Es sei vielmehr nötig - wie von Knöbl gefordert - die Joas'sche Theorie des kreativen Handelns mit historischen Prozesstheorien zu verbinden, wofür das ›Makroereignis Krieg‹ ein wichtiger Testfall sei.