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Schmidt

Individualität und Eigentum

Zur Rekonstruktion zweier Grundbegriffe der Moderne

Medium: Buch
ISBN: 978-3-593-38185-5
Verlag: Campus Verlag GmbH
Erscheinungstermin: 18.09.2006
Lieferfrist: bis zu 10 Tage
Sowohl Individualität als auch Eigentum erhielten ihren heutigen Sinn erst mit den bürgerlichen Revolutionen. Die ökonomische Ordnung des Kapitalismus beruht auf der als Besitz bekannten Zuordnung von Dingen zu Personen und der strikten Trennung von Eigentum und Person. Christian Schmidt rekonstruiert die beiden Grundbegriffe der Moderne und diskutiert dabei Fragen der Entfremdung, des geistigen Eigentums und des Eigentums im Sozialismus.

Produkteigenschaften


  • Artikelnummer: 9783593381855
  • Medium: Buch
  • ISBN: 978-3-593-38185-5
  • Verlag: Campus Verlag GmbH
  • Erscheinungstermin: 18.09.2006
  • Sprache(n): Deutsch
  • Auflage: 1. Auflage 2006
  • Serie: Campus Forschung
  • Produktform: Kartoniert
  • Gewicht: 493 g
  • Seiten: 347
  • Format (B x H x T): 144 x 216 x 25 mm
  • Ausgabetyp: Kein, Unbekannt

Autoren/Hrsg.

Autoren

Schmidt, Christian

Inhalt

Vorwort 7
Einleitung 12

1. Die Eigentumsordnung 21
1.1. Eine neue Ordnung 22
1.2. Die Ausbreitung der Eigentumsordnung 44
1.3. Herrschaft im dinglichen Eigentum 63
1.4. Die Sphäre des Geistigen 72
1.5. Das Eigentum an sich selbst 107

2. Das transzendentale Feld 127
2.1. Wahrnehmung und Reflexion 128
2.2. Der Ort des Subjekts 145
2.3. Der Platz des Subjekts 174
2.4. Die Reflexionsform der Individualität 201

3. Individuum, Subjekt, Person und Eigentum 230
3.1. Historische Wandlungen der Selbstverhältnisse 233
3.2. Quellen der Subjektivität jenseits der Ökonomie 253
3.3. Die Person: Klammer und Institutionalisierung
der Selbstbilder 283
3.4. Individualität und Eigentum 306

Literatur 343

Einleitung

Ziel der Arbeit ist es, die Beziehung von Eigentum und Individualität zu bestimmen. Dabei wird davon ausgegangen, daß es sich sowohl bei Eigentum als auch bei Individualität um ein soziales Verhältnis handelt. Das Feld auf dem sich die Beziehung beider bestimmen läßt, ist mithin das Feld sozialer Interaktionen. Diese Ausgangsthese wird durch die Erkenntnis gestützt, daß weder Eigentum noch Individualität überhistorische Tatsachen sind. Ihre Bedeutung im heutigen Sinn erlangten sie vielmehr erst mit der Durchsetzung der bürgerliche Gesellschaft und ihrer auf Eigentum beruhenden ökonomischen Ordnung. Der Umbruch der bürgerlichen Revolutionen ist deshalb maßgeblich für eine Analyse der Beziehung. Worin besteht der Umbruch zwischen feudaler und bürgerlicher Gesellschaft? Der Kern der Souveränität war in der Feudalordnung die Verteilung von Gütern, die Nutzungs- und Verzehrrechte festlegten. Ausgangspunkt der Eigentumsordnung ist die Produktion. Den neuen Ansatz verdeutlicht die paradigmatische Eigentumstheorie Lockes. Was den Menschen ursprünglich gemeinsam sei, so Locke, ist nur die unberührte Natur. Was dagegen ihnen grundsätzlich als einzelnen zugehöre, sei ihre Körperlichkeit und das mit ihr verbundene Vermögen zur produktiven Tätigkeit. Es ist der produktive Einsatz des Körpers, der den Anspruch auf Eigentum begründet. Doch dieser Anspruch verändert die Situation. Die Welt ist den Menschen nicht mehr gemeinsam gegeben, sondern wird in Eigentumsparzellen aufgeteilt. Das Problem der Eigentumslosigkeit und der gesellschaftlichen Einbindung der Eigentumslosen entsteht. Lockes Begründung des Eigentums enthält bereits die Lösung für Teile des Problems der Eigentumslosigkeit. Als freie Personen veräußern die Eigentumslosen ihre Arbeitskraft, um die zum Leben notwendigen Eigentumsansprüche erwerben zu können. Die freie Arbeit schafft den Zustand der Eigentumslosigkeit ab, indem mit ihr die Arbeitskraft einer Person als Eigentum etabliert wird. Positiv gewendet ist die Unterwerfung unter den ökonomischen Zwang, am System des Eigentumstauschs teilnehmen zu müssen, die Schöpfung der Person als freies Individuum. Die Erhaltung der freien Person ist aber auch eine Voraussetzung der Eigentumsordnung. Ohne die Freiheit der Personen verwandelt sich die Eigentumsordnung wieder in ein gesellschaftliches Regime, in dem Verfügung über die Mittel der Produktion mit der Zuweisung von Nutzungs- und Verzehrrechten an die Eigentumslosen verbunden ist. Was aber bestimmt die in der Eigentumsordnung entstandene Person als freies Individuum genau? Die genauere Betrachtung des Appropriationsaktes zeigt, daß es nicht ausreicht, die Person mit ihrem Körper zu identifizieren, sondern daß die natürliche Zueignung des Arbeitsproduktes auch noch die freie Verfügung über die Fähigkeit zur Produktion erfordert. Es läßt sich deshalb konstatieren, daß auch die Teilhabe an geistigen Formen konstitutiv für die Person ist und - einmal erworben - als unveräußerlich postuliert wird. Die Eindeutigkeit des Befunds wird durch die Eigenschaft der Eigentumsordnung gestört, ihren Gegenstandsbereich immer mehr auszuweiten. Diese Entwicklung begann damit, daß die Landwirtschaft im System der Äquivalenzbeziehungen zu einem Güterproduktionsbereich unter anderen wurde, der denselben ökonomischen Gesetzen unterliegt wie die industrielle Produktion und in dem nicht nur der Wert der Güter, sondern auch des Bodens als Produktionsvoraussetzung nach den Gesetzen der gesamten Produktion bestimmt wird. Heute konstituieren die geistigen Formen eine eigene, der dinglichen analoge Sphäre der Eigentumsordnung: das geistige oder immaterielle Eigentum. Die spezifische Tätigkeit, auf die sich die Anwendung der Eigentumsordnung in der Sphäre des Geistigen stützt, ist die Schöpfung der Formen. Schöpfung ist die Produktion sinnvoller geistiger Formen, die nicht durch die Anwendung einer Metaform erzeugt wurden. Die Expansion der Eigentumsordnung auf neue Gegenstandsbereiche ist kein willkürlicher oder umkehrbarer Prozeß. Sie ist Ergebnis der Gesetzmäßigkeiten der ökonomischen Systematik der Eigentumsordnung. Wo im Rahmen des Systems der gesellschaftlichen Bewertung durch Warentausch die Bedürfnisse mit immer weniger Aufwand befriedigt werden können, wächst zwar der materielle Reichtum, doch in gleichem Maße schwindet der Wert der Güter. Die reelle Subsumtion, der Vorgang, bei dem durch die Mischung der Produkte des primären und sekundären Sektors mit den Resultaten der Produktion des tertiären neue Bereiche des Lebens den Gesetzen der Eigentumsordnung und des kapitalistischen Produktionsprozesses unterworfen werden, erweist sich so als ökonomische Notwendigkeit. Die Bedeutung des tertiären Sektors liegt dabei in der Besonderheit der Tätigkeiten, die auf affektive Bindungen zielen. Affektive Bindung ist statt von der Logik der Zeitersparnis von der Notwendigkeit zur Zeitverausgabung bestimmt. Ihrer Unterwerfung unter Rationalisierungsprozesse sind damit Grenzen gesetzt. Was heute die Ausweitung der Eigentumsstruktur ausmacht, ist also nicht die Privatisierung des Sacheigentums öffentlicher Institutionen, sondern die Eigentumsschaffung an ihren Inhalten, wie Wissen, Heil-, Pflege- und Kommunikationsmethoden. Die Ausweitung der Eigentumsordnung auf die geistigen Formen offenbart die Instabilität im Verhältnis zwischen Individuum und Eigentum. Die notwendige Bildung des Individuums wird zur Produktion, die das Individuum in die Nähe eines Eigentumsgegenstandes rückt, der es als freie Person nicht sein kann. Von den Erfordernissen der Eigentumsordnung her betrachtet ist das Individuum immer beides: etwas nicht näher zu Bestimmendes, weil immer schon gegebenes, und Funktion innerhalb des durch die Eigentumsordnung gestifteten Zusammenhangs. Soll einem Subjekt jedoch die Möglichkeit eröffnet werden, mit anderen arbeitsteilig zu handeln oder auch nur zu kommunizieren, muß es selbstverständlich in die Formen des Handelns und in eine Sprache mit ihren Formen des Beziehens und Urteilens eingeführt werden. Aus diesem Grund ist die natürliche Person als rechtsfähige Instanz im sozialen Feld immer ein gebildetes Individuum und nicht eine einfach vorhandene Naturtatsache. Eine Rekonstruktion des Bildungsprozesses und die Bestimmung seines Umfangs ist das Ziel des zweiten Teils der Arbeit. Als Ausgangspunkt der Analyse dient Kants kritische Philosophie, weil sie als Projekt der Selbstreflexion die Bedingungen, unter denen einen Selbstreflexion möglich ist, thematisiert. Zunächst fällt auf, daß das Erkenntnissubjekt bei Kant als individuelles gar nicht bestimmt wird. Die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis liefern nur die Invarianten eines transzendentalen Subjekts. Doch zu diesen notwendigen Invarianten zählt auch eine Einheit des Erkennenden, die den Erkenntnisprozeß erst ermöglicht. Über die Kritik des Erkenntnisvorgangs hinausgehend, erweist sich diese Einheit in jedem Akt und ist aus diesem wie aus jeder Erkenntnis rekonstruierbar. Damit Handlungen möglich sind, bedarf es einer Einheit, die sich selbst und Wirkungen auf sich erlebt. Es existiert keine Wirkung auf das Subjekt, die nicht einen Bezug des Subjekts auf sich selbst auslösen würde. Die Beziehung des Subjekts auf sich selbst ist, wie schon bei der Diskussion der Wahrnehmung durch Kant, jeder Wirkung auf das Subjekt immanent. Die Beziehung auf sich selbst hat einen Ort, der als Ort des Subjekts mit dem Titel "Leib" bezeichnet ist. Ist der Körper der Terminus der reflektierten Selbstbezugnahme, bezeichnet der Leib den phänomenologischen Ort des Erlebens von Wirkungen. Im Erleben der Wirkungen kann der Leib nicht fremd sein. Gerade die Ebene der Unmittelbarkeit verhindert die im Verhältnis zum Körper bekannte Distanz. Es sind aber die Termini der Reflexion, die das Verständnis von Individuum und Subjekt und damit auch von Person prägen. Eine besondere Rolle bei der näheren Bestimmung von Individuum und Subjekt spielen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Als Begriffe der Reflexion sind sie Eigenschaften des Subjekts und Voraussetzungen von Akten. Sie bestehen losgelöst von den ebenfalls in der Reflexion fixierten Eigenschaften der dem Subjekt äußeren Welt. Trotzdem können Fähigkeiten und Fertigkeiten als Eigenschaften des Subjekts nur in ihrer Aktualisierung erwiesen werden. Die Reflexion der je konkreten Erlebnisse hebt jedoch die Einheit auf, die im erlebten Selbstbezug vorherrscht. Wenn die Kategorien der Reflexion, Subjekt und Fähigkeit, von der Aktualität gelöst werden und als Formen einer eigenen Redeweise scheinbare Selbstständigkeit erlangen, treten die Phänomene einer Spaltung auf, in denen der Zusammenhang zwischen der Tätigkeit und dem Selbst verdeckt wird. Die Selbständigkeit erstreckt sich aber nicht nur auf die Eigenschaften des Subjekts, sie erfaßt auch die Akte, die in der Reflexion zu Aktualisierungen von Aktformen werden. Indem sich die Akte zu Aktformen differenzieren und gleichzeitig das dem Subjekt bei der Aktausführung Begegnende zu etwas Erwartbarem wird, zeigt sich, daß die Akte trotz des in ihnen immer enthaltenen unmittelbaren Selbstbezugs der Wahrnehmung von Wirkungen auch an Unabhängigkeit vom Erleben gewinnen können. Im Plan wird der Selbstbezug eines Zu-begegnen-lassenden vorweggenommen, indem Praxen auf Begegnungskonstellationen angewendet werden. Die Formen der Akte beeinflussen die Weise, in der diese erlebt werden. Auf diesem Einfluß beruht auch die Wirkung der Reflexion auf die Bildung von Aktformen und deren Aktualisierung. In diesem Zusammenhang gewinnen eine besondere Art von Akten und die mit ihr verbundenen Begegnungen entscheidende Bedeutung. Es handelt sich dabei um die für das soziale Feld spezifischen Begegnungen mit anderen Subjekten, ohne die der Vollzug von Handlungs-, Wahrnehmungs- und Urteilsformen unverständlich bleibt. Durch die Verständigung von Subjekten miteinander unterscheidet sich das Wir- kungsgefüge im sozialen Feld radikal vom Modell kommunizierender Röhren, das ohne sie für die Begegnung zwischen Subjekt und Welt paradigmatisch zu sein scheinen könnte. Das soziale Feld ist die Voraussetzung jeder Interpretation. In ihm sind die einzelnen Akte und ihre Interpretation miteinander verbunden. Dadurch läßt sich keine einzige Form des Handelns isoliert vollziehen. Auch die Gemeinsamkeit des sprachlichen Handelns läßt sich nicht rein sprachimmanent verstehen, sondern erfordert die Teilung der Praxen als Pendant einer geteilten Interpretation. Die Formen des Handelns, aber auch der Reflexion sind damit abhängig von ihrem im sozialen Feld vorgegebenen Rahmen. Dieser Rahmen ist heute - wie die Darstellung im ersten Teil belegt - die Eigentumsordnung. Was aber bedeutet es in dieser Darstellung, ein Subjekt zu sein? Subjekt zu sein heißt, "erwartet" zu werden. "Erwartung" ist die Öffnung sozialer Akte für das schon als Subjekt präsupponierte Wesen. Innerhalb einer auszuführenden Handlungsform wird den Subjekten ein Platz in den Interaktionen als ihr Anteil an der Handlungsform zugewiesen. Diese Anteile an Handlungsformen definieren, was unter einem Subjekt, aber auch was unter einem Objekt verstanden werden kann. Dabei unterscheiden sich in der Erwartung Subjekte von Objekten dadurch, welche mögliche Rollen ihnen zugewiesen werden. Mit der Beziehung von Subjekt und Objekt auf Handlungsformen erzeugen die Erwartungen nicht nur Subjekte und Objekte überindividuell, sie garantieren sie auch jenseits der unmittelbaren Interaktionen. So findet sich auch noch im privatesten Bezug des Individuum-Subjekts auf sich selbst die Verbindung zu den Formen, die durch soziale Praktiken geteilt werden. Weil die Gesamtheit dieser Formen die Voraussetzung von Akten und Interpretationen bildet, wird sie mit dem Ausdruck "transzendentales Feld" bezeichnet. Das transzendentale Feld ist die entscheidende Instanz für die Formierungsprozesse, die schließlich auch die Individuen hervorbringen. Es bestimmt den Platz der Individuen und ihre Aktivität. Als die Voraussetzung jeglicher Aktivität kann es nicht mehr von einem transzendenten Standpunkt aus beurteilt werden. Damit ist auch das Individuum nicht die Instanz, die von außen über die Angemessenheit und Veränderung des transzendentalen Feldes entscheiden kann. Das Individuum steht den Formen seiner Akte nicht selbständig gegenüber, sondern ist ihr Ergebnis. Selbst da, wo es als große historische Gestalt verändernd auf die Formen der Handlungen wirkt, bleibt diese Veränderung von der Gesamtheit des transzendentalen Feldes bestimmt. Auch die historische Tat ist in den Rahmen des sozialen Zusammenhangs eingeholt. Trotz der Abhängigkeit vom transzendentalen Feld verfügt die Individualität über eine ihr eigene Evidenz. Die Evidenz des Individuums beruht auf der im transzendentalen Feld möglichen Wahl einer Form und auf dem eigentlichen Vollzugselement, der Aktualisierung einer bestimmten Form. Die der Aktualisierung einer Form entsprechende Aktivität ist nicht einfach nur die Aufnahme der Umwelt im Rahmen des Lebendigseins. Als Aktualisierung einer Form ist sie Formierung der Wirkungen. Dieser Umstand eröffnet bei der Aktualisierung von Formen eine grundsätzliche Differenz zur Form und eine Varianz der je formierten Wirkungen. Aktualisierungen können scheitern, auf unterschiedliche Weisen gelingen und, die Erwartungen verfehlend, diese auch übertreffen. Um aus den Varianzen und Differenzen bei der Aktualisierung von Formen den Prozeß der Individualisierung hervorgehen zu lassen, bedarf es aber einer Situation, in der Handlungsformen die Varianzen und Differenzen betonen und als Ausdruck einer Individualität interpretieren. Die Eigentumsordnung ist ein Beispiel für eine solche Situation, denn die Individualisierung hat ihre Ursache in den Reproduktionsprozessen der kapitalistischen Gesellschaft. Bezogen auf Eigentum hat die Zurechnung von Taten, in der ein Teil des Individualisierungsprozesses der Eigentumsordnung besteht, vor allem zwei Funktionen: Sie dient der Interpretation von Arbeit als erworbenem Anspruch auf Eigentum. Und sie ist Voraussetzung aller Verträge der Übertragung von Eigentum, des Beleihens und Kreditierens, weil sie die Möglichkeit stiftet, sich durch seine Handlungen zu verpflichten. In einem zweiten Sinn beruht die Individualisierungswirkung der Eigentumsordnung auf der Teilung des transzendentalen Feldes innerhalb einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Individualisierung ist in diesem Sinne eine Ausdifferenzierung eines sozialen Zusammenhangs in Untergruppen, die durch ihre je besonderen Fähigkeiten charakterisiert sind. Die daraus resultierende soziale Mobilität verstärkt die individualisierte Stellung zum transzendentalen Feld einer Gesellschaft. Die Bewertung der Fähigkeiten als individueller Eigenschaften verdichtet diese Stellung zur internalisierten, aber auch extern zugeschriebenen Identität des Individuums. Obwohl die Individualisierungswirkung der Eigentumsordnung unbestreitbar ist, hat sie auch Wirkungen, die zur Erfahrung der Deindividualisierung führen. Das Erlebnis, Element eines Produktionszusammenhangs zu sein, in dem Menschen zum Teil einer Maschinerie werden, gehört zur Deindividualisierung wie das Erleben des Aufgehens der eigenen Handlungen in der Aktion einer Masse, sei sie ungeordnet, als Apparat strukturiert oder zum Heer gedrillt. Die Ambivalenz von Individualisierung und Deindividualisierung zeigt sich aber auch schon in der Phänomenologie Hegels, der einerseits den individualisierten Willen als unhintergehbare Instanz der bürgerlichen Ordnung einsetzt und welthistorische Individualheroen die Weltgeschichte durch ihre Leidenschaften vorantreiben läßt, andererseits aber den Geist, jenes Äquivalent des transzendentalen Feldes, als entscheidenden Instanz des Denkens analysiert. Nicht die Präexistenz gegeneinander abgegrenzter Individuen erfordert die Aufteilung der Welt nach einer Eigentumsordnung, sondern die Handlungsformen der Eigentumsordnung bringen das moderne Individuum als Reflexionsform hervor. Sowohl Eigentum als auch Individualität sind dabei Wirkungen von Handlungsformen, wobei das Eigentum auf die individualisierenden Handlungsformen angewiesen ist, während die Individualisierung auf der Eigentumsordnung beruht. Statt einer einseitigen Abhängigkeit muß deshalb konstatiert werden, daß Individualität, Eigentumsordnung und Staatlichkeit ein System wechselseitiger Einschränkungen formieren. Die Unmöglichkeit einer einfachen Ableitung der Individualität aus der Eigentumsordnung läßt die Frage nach Quellen der Individualität vor der Eigentumsordnung entstehen. Einen Ausgangspunkt bildet hierfür die Entwicklung des Christentums vom Erbe der Stoa bis zur Reformation. Durch die schriftliche Fixierung der religiösen Regeln und Interpretationen seit den griechischen Kirchenvätern blieb im Christentum die allgemeine Ordnung nicht länger das, was alle Handlungen unmittelbar bestimmte. Auch befand sich das Selbst nicht länger in ihr, so daß durch Selbstbeobachtungen die Angemessenheit der Handlungen erwiesen werden konnte. Sie transformierte sich vielmehr in eine überlieferte, fremde Ordnung. Die Auseinandersetzung mit dieser Ordnung erzeugte die Erfahrung einer kaum überwindbaren Differenz zwischen dem Leben und den religiös verbindlichen Regelwerken. Mit der Durchsetzung der Beichte als regelmäßiger Institution wurden dieser Differenz neue, individualisierende Handlungsformen gewidmet. Das Reden und Erforschen von Lebensbereichen, die Erzeugung neuer Zusammenhänge zwischen Handlungen und Überzeugungen sowie die Rekapitulation von Vergangenem sind mit der Beichtpraxis einhergehende Tätigkeiten, die das Leben intensivieren und zugleich individualisieren. Die Innerlichkeit des Subjekts entsteht dadurch, daß sich ihr diese reflexiven Handlungen widmen. An Innerlichkeit und dem Streben nach Übereinstimmung mit einer höheren und zugleich verinnerlichten Ordnung ändern auch Reformation und Auf- klärung nichts. Durch sie fällt aber die Übereinstimmung des Handelns mit den Normen der Rationalität und die Anerkennung in die Verantwortung des Subjekts und erlaubt eine Bewertung seines Charakters. Verantwortung bedeutet unter diesen Vorzeichen die Isolierung des Subjekts als Quelle einer Handlung. Diese Quelle hat sich selbst zu formen. Trotz des Subjektstatus bleibt deshalb die Forderung nach Verinnerlichung der gesellschaftlich gültigen Ordnung bestehen. Es obliegt jetzt dem Subjekt, seinen Erfolg dadurch zu produzieren, daß es die gegebene Ordnung weitgehend als sich im lumen naturale rechtfertigende akzeptiert. Das durch Bildung und Selbstkontrollpraxen bestimmte moderne Subjekt erlebt seine Subjektivität als psychische Aktivität. Das für sich verantwortliche Subjekt ist Ergebnis einer Verschiebung der Souveränität. Mit den bürgerlichen Revolutionen obliegt dem Staat die Garantie einer personalen Sphäre der Handlungsfreiheit und einer materiellen Sphäre, in der das Subjekt seine Handlungsfreiheit auch verwirklichen kann. Letztere ist das Eigentum. Damit entstehen in Abgrenzung zum Bereich unmittelbarer staatlicher Souveränität die Privatsphären der bürgerlichen Individuen und die kapitalistische Ökonomie. Das Eigentum bringt seine eigene Ökonomie als abgetrennte Sphäre hervor, für die der Staat nur noch die Verkehrsbedingungen regelt und auf die Durchsetzung geltender Normen achtet. Sind aber die Bedingungen einer Eigentumsordnung durchgesetzt, stellen sich die Gesetze der Ökonomie als unpolitisch heraus. In den beiden neuen Sphären erhält der Staat die Ordnung der Souveränität aufrecht, indem er Konflikte der Subjekte untereinander, aber auch zwischen den Sphären regelt. Auf Seiten derer, die mit ihren Konflikten den Staat antreiben, werden die Handlungen in die Form des Rechts gezwungen. Aus den Subjekten werden Rechtssubjekte. Damit aber der Staat die neuen Bereiche nicht wieder auflöst, ist innerhalb des rechtlichen Rahmens der Respekt vor Eigentum und Person konstitutiv, so daß das moderne Recht die in ihm enthaltene Beschränkung immer wieder reproduziert und garantiert. Die souveräne Staatsmacht garantiert den Schutz der Rechtssphäre sowohl des Eigentums als auch der Personen. Der so beschreibbaren engen Verbindung von Eigentum, Individualität und bürgerlichem Staat widerspricht nur scheinbar die offensichtliche Fortexistenz der bürgerlichen Individualitätsform im Realsozialismus. Auch im Realsozialismus bestehen die wesentlichen Elemente der Ordnung aus Eigentum, Individuum und Staat entgegen der propagierten Vorstellung von einer Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse fort. Es ist die spezifische Ver- hinderung von Eigentum im Bereich der Produktionsmittel bei gleichzeitiger Beibehaltung der Eigentumsordnung auf den Seiten der Produktivkraft und der Konsumtionsmittel, die im Sozialismus einen notwendigen Widerspruch zwischen der Theorie des "Volkseigentums" und der von privaten Interessen geleiteten Praxis erzeugt. Nicht das Produktionsziel ist das wahre Ziel des Handelns der produzierenden Subjekte, sondern ihr Engagement in der Produktion ist zumeist nur das Mittel, das der Verwirklichung des eigentlichen Lebens im privaten Bereich dient. Eine Analyse der Beziehungen von Individualität und Eigentum im Realsozialismus macht deutlich, daß die für die beiden je konstitutiven Praxen einander wechselseitig hervorbringen. Aufgrund der einander erzeugenden Momente erklärt sich dann auch die Niederlage des Sozialismus. Dieser überstand seine ökonomische Krise nicht, weil er in ihr endgültig an seinen auf einer besseren Ausstattung der Privatsphäre basierenden Emanzipationsversprechen scheiterte. Schließlich ist das Verhältnis von Individualität und Eigentum zueinander noch von anderer Qualität als ihr jeweiliges Verhältnis zum Staat, der beide als Sphären zwar garantiert, sie hervorzubringen aber nicht in der Lage ist. Das besondere Verhältnis von Individualität und Eigentum kann mit dem Ausdruck "Dispositiv" bezeichnet werden, der eine strategische Einheit heterogener, sich in wechselnder Funktion stützender und erzeugender Elemente kennzeichnet.